«Die Gemmotherapie ist schon über 70 Jahre alt», erklärt Jo Marty. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort «Gemma» ab, was für Knospe steht. «Angefangen hat es mit dem Arzt und Forscher Pol Henry. Dieser befasste sich intensiv mit Blutproteinen und kam zur Auffassung, dass bei körperlichen Beschwerden oft wichtige Stoffe im Blut fehlen.» Um Ungleichgewichte im Körper auszugleichen, wären demnach oft bestimmte Aminosäuren nötig, um die Homöostase wiederherzustellen. Da embryonales Pflanzengewebe reich an Aminosäuren und weiteren wichtigen Vitalstoffen ist, eignet es sich hervorragend für diese Aufgabe. «Die Gemmotherapie greift dadurch in den Organismus ein und regt die Selbstregulation an. So stellt es die physiologischen Zustände wieder her», so der Experte.
«Wenn eine Knospe aufgeht, liegt in ihr die ganze Kraft des Frühlings. Dort ist das dynamischste und kraftvollste einer Pflanze drin. In ihr ist beispielsweise ein ganzer Kastanienbaum schon angelegt, der sich letztendlich aus dieser kleinen Knospe bildet. Es ist ein riesiges Orchester an Enzymen, Carbon-, Nuklein- und Aminosäuren», sagt Jo Marty. Die Aminosäuren sind in diesem frühen Entwicklungsstadium noch freier verfügbar und können dadurch direkt über die Mundschleimhäute aufgenommen werden und müssen nicht das ganze Verdauungssystem passieren. «Weil die Aminosäuren nicht noch zersetzt werden müssen, erhält man vom Körper eine frappant rasche Antwort. Dadurch sind je nach Beschwerde Soforterfolge nichts Unübliches.»
Verabreicht werden die Mittel in der Regel als Spray, wobei der Patient die Essenz in den Mund sprüht. Die jungen Knospen werden gepflückt und in verdünnter Form in einer Alkohol-Glycerin-Lösung mazeriert. In so einer Lösung werden die wertvollen Aminosäuren am besten erhalten. «Wichtig ist es, den richtigen Moment zu erwischen», erklärt Marty. «Wenn eine Pflanze im Wachstumsprozess schon zu weit fortgeschritten ist, dann sind wir in der Phytotherapie», so der Experte. Dann ist die Konzentration der Vitalstoffe nicht mehr dieselbe.
Im Kurs «Gemmotherapie» vom kommenden Herbst lernen die Studierenden, wie die Heilmethode genau wirkt, was die gängigsten Mittel sind und bei welcher Indikation diese einzusetzen sind. «In der Regel wirkt Gemmotherapie ausleitend, entgiftend und hat dadurch einen Einfluss auf das Lymphsystem», so der Dozent. Durch die ausleitende Wirkung ist besondere Vorsicht bei Schwangeren geboten. Zusätzlich zur Gemmotherapie wird Jo Marty im Rahmen der grossen Weiterbildung «Westliche Arzneimittel in der Praxis» auch zum Thema Schüsslersalze Kurse geben.